Audio, Video, alles egal?
Außerdem habe ich Aylin Doğan und Michael Bartlewski von »Döner Papers« interviewt – ein sehr erfolgreicher Podcast ohne Video.
Das hier ist BEIFAHRERSITZ, ein Newsletter darüber, wie es wirklich ist, einen eigenen Podcast zu machen. Spoiler: sehr holprig. (Dazu gibt’s Branchen-News, neue Releases und Interviews.) Ihr wollt mitfahren? Dann einfach hier einsteigen:
Ich erwische mich immer öfter dabei, Video-Podcasts auf YouTube zu gucken.
Keine Ahnung, warum. Wenn ich auf YouTube gehe (und das ist sehr häufig, es ist meine meistgenutzte Plattform) suche ich nicht nach Podcasts. Aber immer öfter schafft es einer in meine »Später ansehen«-Liste. (Egal ob mit Video oder ohne, wenn ich eine spannende Folge finde, lade ich immer erstmal runter und hör dann später, wenn’s zur Stimmung oder Situation passt.)
Manchmal mag ich es, mich komplett auf ein Interview einzulassen. Und das kann ich besser mit Video. Weil ich dann nichts anderes nebenbei machen kann.
Aber manchmal bleiben Informationen auch besser in meinem Kopf hängen, wenn ich nur Audio hör. Weil ich nebenbei etwas anderes mache. Ich weiß zum Beispiel immer noch, dass im Hintergrund ein taff-Beitrag über Johnny Depp lief, als ich für Bio einen Teich mit Ökosystem zeichnen musste. (Ja, ich hab beim Hausaufgaben machen ferngesehen. 🤷♀️)
Es ist kein Audio oder Video bei mir. Ich mag beides. Es hängt – wie immer bei Podcasts – von der Stimmung und Situation ab, was ich wann konsumiere.
Ein bisschen radikaler formuliert das Chris Peterson von DWNLOAD Media: »Audio vs. Video.. I Don’t Care.« Er kann die Frage nach Audio oder Video nicht mehr hören.
Wichtiger sei, wo die Zielgruppe eines Podcasts ist: »Audiences are already where they want to be. Apple Podcasts, Spotify, YouTube, TikTok, Twitter, whatever. You’re not going to convince them to switch platforms. You have to show up where they already are.«
Ich hänge halt viel bei YouTube ab. Und dort finde ich in letzter Zeit viele neue Video-Podcasts. (Mehr dazu unten.)
Und Chris Peterson findet, wir sollten uns davon verabschieden, Plattformen einzeln zu betrachten: »An impression is an impression. Whether it’s a download, a YouTube view, or a TikTok like, it’s still an opportunity to engage with a fan.«
Ist schon was dran. Wir wissen ja, dass die Conversion Rates von Instagram und TikTok zu Podcast-Plattformen meist ziemlich gering sind. Für mich klingt das ein bisschen nach: Freu dich einfach über Reichweite, egal wo. Das mag ein guter Ansatz sein, schließlich nimmt es Druck – aber ich frag mich, wie so fragmentierte Zahlen bei potenziellen Werbekunden und Co. ankommen würden. Was meint ihr?
Drei Video-Podcasts, die ich in letzter Zeit entdeckt habe
»Fashion Neurosis« mit Bella Freud: Als Modedesignerin und Urenkelin von Sigmund Freud vereint sie in ihrem Podcast diese beide Eigenschaften perfekt: Bella Freud lädt prominente Gäste ein, sich auf ihre Couch zu legen und mit ihr über Mode und ihr Leben zu sprechen. Jede Folge beginnt damit, dass der Gast / die Gästin sein / ihr Outfit beschreibt – so haben die Audio-only Hörer*innen nicht nur ein besseres Bild, sondern man erfährt auch direkt etwas über die Kleiderwahl. Und ich liebe einfach diese ruhige Art, mit der Bella Freud spricht. Wie eine gute Therapeutin.
Außerdem ist die Perspektive der Kamera wirklich ganz besonders. Es fühlt sich schon fast etwas zu intim an, den Menschen so in die Augen zu schauen, während sie auf der Couch liegen und erzählen.
»In Your Dreams« mit Owen Thiele: Der Schauspieler begrüßt Promis in einem Studio, das aussieht wie aus dem Traum der 13-Jährigen Denise. Der Vibe: Die ganze Nacht wachbleiben und im Pyjama mit den besten Freunden über das Leben philosophieren. Es gibt sogar ein Video-Intro, das an die Teenie-Serien der 2000er erinnert. Liebs!
»SHZ wir müssen reden« mit Kimisinamood: Die neuste Produktion aus dem Hause Studio Bummens. Vielleicht kennt ihr Kim von TikTok oder als Teil des ehemaligen Podcast »Alpha Females«. Ich musste erstmal googeln was SHZ heißt (Schatz) – ich gehöre also offensichtlich nicht zur Zielgruppe. Aber das Setting, in dem der Podcast aufgenommen wird, finde ich sehr gelungen. Wie eine optische Täuschung. Und im Regal hinter dem Gast stehen passende Hinweise zur Person.
❤️ DANKE an Andreas Sator, Daniela Ullrich, Ole & Tore Klein, Carola Hoffmeister und Ellie Media, die diesen Newsletter finanziell unterstützen!
Obwohl ich von der tagesschau gespoilert wurde, dass der Erfinder des Döner-Logos gefunden wurde, habe ich »Döner Papers« an einem Tag weggebinged. Das muss ein Podcast erstmal schaffen. (Nicht nur das mit dem Bingen, sondern auch von den Medien aufgegriffen zu werden.) Ich wollte alles über die Produktion wissen – also habe ich die Macher*innen mit meinen Fragen gelöchert. Hier ihre Antworten:
Aylin Doğan und Michael Bartlewski von »OBSESSED - Döner Papers«
Aylin: »Wir haben uns gefragt: Woher kommt eigentlich dieses Döner-Logo? Als wir gegoogelt haben, mussten wir feststellen, dass noch niemand die Antwort gefunden hat. Das war im Juni 2022. Danach hat sich die Suche verselbständigt. Wir waren total obsessed – auch weil wir anfänglich total naiv dachten, das kann man schnell lösen.«
Michael: »Normalerweise hat man als Produktionsfirma ja einen Auftrag von einer Plattfom oder einem Sender – das hatten wir nicht. Wir haben so erstmal zwei Monate nonstop am Podcast gearbeitet, bevor wir auf die ersten potenziellen Partner zugegangen sind. Natürlich kam da immer die Frage: Findet ihr die Antwort denn? Das konnten wir final erst im April 2025 beantworten.«
Aylin: »Am Anfang haben wir mit ganz vielen Leuten telefoniert und Mails geschrieben – aber irgendwann haben wir den Überblick verloren. Da wussten wir: Wir müssen zu den Leuten hinfahren.«
Aylin: »Es tat weh, dass wir viele Leute, mit denen wir gesprochen haben, rausschneiden mussten, weil es nicht zu unserem roten Faden gepasst hat. Unsere Lösung war, dass wir alle Namen in den Credits der letzten Folge vorgelesen haben.«
Aylin: »Wir mussten mit offenen Karten spielen, dass wir vielleicht am Ende bei niemandem landen. Wir haben uns gedacht – so ausgelutscht das klingt: Der Weg ist das Ziel. Deswegen haben wir sehr früh entschieden, wir zeichnen jetzt erstmal alles auf, weil das wichtige Strecke sein könnte, mit der wir den Podcast füllen müssen. Wir konnten kein normales Gespräch mehr führen, ohne dass jemand gesagt hat: Stopp, das müssen wir aufnehmen!«
Michael: »Wir haben alles transkribiert, das waren mehr als 100 Stunden, aber ganz vieles haben wir davon nie mehr angehört. Man denkt beim Skripten so: Was reden die da?! Aber manchmal hast du dann halt doch diesen Moment on tape, wo du wirklich was gefunden hast.«
Michael: »Ich weiß gar nicht, wie oft wir diesen Podcast neu geschrieben haben … Im Juni 2022 gab es eigentlich schon fünf Folgen und einen Trailer – alles ohne Auftraggeber. Die haben wir dann alle nochmal komplett neu geschrieben. Von jeder Folge gibt es mindestens drei Fassungen.«
Michael: »Wir waren ein dreiköpfiges Autorenteam: Lea Dakowski, Elisabeth Veh und ich. Jede*r war für zwei Folgen verantwortlich. Aylin ist über jedes Skript nochmal drüber gegangen, um es an ihren Sprechstil anzupassen.«
Michael: »Wir haben für jede Folge mehrere Edit-Runden gemacht, das heißt, Aylin hat vor einem größeren Team die Skripte vorgetragen, darunter auch Leute, die nicht wissen, worum es geht, oder Macher*innen von anderen BR-Podcasts. Obwohl wir schon 20 Jahre Audio machen, findet man nach jeder Editrunde noch etwas, das doch nicht funktioniert.«
Michael: »Sruthi Pinnemaneni, eine Autorin vom ehemaligen Podcast ›Reply All‹, spricht zuerst alles ein, lässt es transkribieren und schreibt daraufhin dann das Skript. Ich glaube, wir sollten alle viel früher schon mal etwas aufnehmen. Menschen sind instinktiv Storyteller. Wenn du jemandem etwas erzählst, übst du das ja instinktiv vorher in deinem Kopf. Das ist vielleicht der natürlichere Zugang.«
Aylin: »Ich glaube, die Cliffhanger waren am schwierigsten. Das soll ja schon was Spannendes sein, das nicht zu konstruiert wirkt. Und die Chronologie. Nicht jedes Telefonat haben wir hintereinander geführt. Manche Sachen sind parallel passiert. Wir haben viel gefeilt, wann wir was erzählen.«
Aylin: »Wir haben drei Jahre an dem Podcast gearbeitet, aber natürlich nicht jeden Tag. Wir haben viel gewartet. Manchmal hat sich ein halbes Jahr gar nichts gerührt. Die Zeit hat es gebraucht, weil manche Leute erstmal nicht mit uns reden wollen. Aber wir hatten ja keinen Zeitdruck.«
Aylin: »Obwohl wir drei Jahre Zeit hatten, war zum Release hin dann doch alles extrem eng getaktet. Wir hatten vier sehr stressige Monate mit einigen Nachtschichten.«
Michael: »Es war gut, dass wir mit dem Spoiler, dass wir den Erfinder des Logos gefunden haben, rausgegangen sind. Das haben sehr viele Medien aufgegriffen und über unseren Podcast berichtet. Aber klar, vielleicht haben wir es manchen Leuten damit auch kaputt gemacht, die so nie reinhören, weil sie ja schon wissen, wie es ausgeht …«
🍎 Apple Podcasts baut in den USA und anderen Ländern (ich weiß nicht, ob auch in Deutschland) die Homepage um. Was das bedeutet, erklärt Arielle Nissenblatt (große Follow-Empfehlung!) – Spoiler: Für kleine Podcasts sind die Änderungen nicht so cool. Was sich bei Apple noch so ändert, lest ihr bei Podnews.
🤝🏻 Spotify baut die automatischen Transkripte für Podcasts weiter aus.
📱 Der Podcast »SmartLess« gründet einen eigenen Mobilfunk-Anbieter, lol?
💡 Ihr habt’s sicher alle schon gelesen: Ur-Podcaster Marc Maron hört nach 16 Jahren auf – was das für die Podcastwelt bedeutet, erklärt Nick Hilton.
🎥 Ich hab euch vor 3 Wochen doch diese Podcast-Clips mit Babys gezeigt. Riverside hat scheinbar ein automatisches Tool dafür.
🎥 »Video Podcasting Decoded – A Guide for Small Shows« von Podglomerate.
💡 Auch bei Podcast-Werbung kann man mit Soundeffekten und Audio-Storytelling spielen, zeigt Podstars by OMR mit dem neuen »Host Read Plus«.
📍 Wie es der Podcast »Kack & Sachgeschichten« schafft, jeden Monat über 32.000 (!) Euro (davon kann ich nur träumen 🥲) mit Steady-Mitgliedschaften zu verdienen, verraten die Hosts Fred und Tobi morgen um 13:30 Uhr im Live-Talk mit David Reiter.
📣 Webedia sucht eine*n Content Lead für den »GameStar Talk«, Vollzeit in München.
Sabine Bergk hat in ihrem Leben schon viele Menschen mit einer speziellen Vatergeschichte kennengelernt. Diese sammelt sie nun in »Vater Sinfonie«, eine »gemeinschaftliche Komposition aus Geschichten, die wir still in uns tragen, die uns aber, wenn wir sie teilen, gemeinschaftlich bewegen und trösten können.«
»Based on a true Story – Die Könige von Malle« erzählt die unglaublichen Geschichten von vier Menschen, die sich zum Königsthron der Insel kämpften. Aber: wer ist denn nun der wahre König von Mallorca?
In »Clubroom Backstage« öffnet DJ, Produzentin und Radiomacherin Anja Schneider die Türen zu einem sonst verschlossenen Ort: dem Backstage der Clubkultur.
Die Content Creator Theo und Eduard und die ENKIME-Gründer Max und Oli gewähren in »Halbwissen« einen Blick hinter die Kulissen von Social Media.
Die Trailer der neusten Podcasts als Playlist zum Durchstöbern und Entdecken:
Ihr habt auch einen neuen Podcast? Schreibt an hallo@beifahrersitz.online.
Generell könnt ihr neue und bestehende Podcasts auch kostenlos auf meiner Discovery-Plattform ANSCHNALLEN einreichen!
Fashion Neurosis werden ich mir unbedingt anhören… (anschauen?!). Kennst du den Newsletter „oh my pod“? Darüber habe ich Heavyweight wiederentdeckt