Podcasts sind wie Bücher
Außerdem habe ich Manon Glathe von »Tahsims Interview-Format« interviewt – ein prämierter Video-Podcast, der gar kein Podcast ist.
Das hier ist BEIFAHRERSITZ, ein Newsletter darüber, wie es wirklich ist, einen eigenen Podcast zu machen. Spoiler: sehr holprig. (Dazu gibt’s Branchen-News, neue Releases und Interviews.) Ihr wollt mitfahren? Dann einfach hier einsteigen:
Vor ein paar Wochen habe ich einen Post bei LinkedIn gelesen, den ich mir sofort abgespeichert hab. (Das passiert nicht so oft, haha.)
Podcast-Expertin Rachel Corbett schrieb:
A lot of podcasters think putting their show on YouTube will solve all their discoverability problems.
Yes, algorithmic platforms help with visibility. But they don’t offer shortcuts.
They offer a completely different game where creators need to optimise their content for that specific environment.
And for many podcasters, that requires a fundamentally different skillset to the one they’ve developed.
Ja, auch ich erwische mich oft dabei, wie ich denke, dass wenn ich meinen Podcast endlich mal auf YouTube und TikTok hochlade, der Algorithmus vielleicht ein Wunder vollbringt. LOL. Aber Podcast- und Video-Plattformen funktionieren ganz unterschiedlich.
Oder wie Rachel Corbett einen Podcast-Kollegen zitiert:
»Podcasts are like books. And algorithmic discovery is designed for addiction.«
— Justin Jackson
Algorithmus-getriebene Plattformen wie Instagram, TikTok und auch YouTube leben davon, dass Leute innerhalb weniger Sekunden hooked sind. Die Videos sollen Dopamin ausschütten und dazu anregen, immer mehr Inhalte konsumieren zu wollen. (Über das ganze Dopamin-Thema habe ich in meinem eigenen Podcast mal zwei knackige Folgen gemacht, inklusive Tipps um wieder runterzukommen.)
Podcasts sind aber ganz anders. Sie leben nicht vom schnellen Dopamin-Rush, sondern von langsam aufgebauten Routinen und Beziehungen. Sie sind wie Bücher.
Und dann dachte ich: Aber wie machen das Bücher denn mit der Discovery? Es gibt die Spiegel-Bestsellerliste, Buchhandlungen, Bücher werden verschenkt, Mundpropaganda … und BookTok.
Hab mir dann vorstellt, dass es bald PodTok gibt, wo Leute ganze TikTok-Accounts machen, die sich nur darum drehen, welche Podcasts sie gehört haben, was sich lohnt, was nicht, welche Fan-Theorien es gibt … (Ich merk grad, ich hab keinen Plan von BookTok, haha.) Naja, reicht wohl nur für ein Gedankenspiel. 😅
Wie man das TikTok-Game mit der richtigen Vorbereitung und richtig gutem Content durchspielt, erfahrt ihr heute »Unter der Motorhaube«. Ich habe Manon Glathe von 1LIVE interviewt, die »Tahsims Interview-Format« verantwortet. TIF hat dieses Jahr den 9:16 Award als bester Video-Podcast gewonnen – ohne ein Podcast zu sein. Wie sie das geschafft haben, lest ihr unten.
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Nachdem »Tahsims Interview-Format« vor ein paar Wochen den 9:16 Award als bester Video-Podcast gewonnen hat, ohne ein Podcast zu sein, wollte ich unbedingt mit den Macher*innen sprechen. Das Format findet nur auf TikTok statt und hat dort fast 140.000 Follower*innen. Ich hab geahnt, dass Podcasts einiges von TIF lernen können, also habe ich um ein Interview gebeten.
Was Manon Glathe von »Tahsims Interview-Format« gelernt hat:
»TIF ist als TikTok-Format entwickelt worden – wir bekommen aber auch heute noch unter jedem Video die Frage, wo man sich das komplette Interview anschauen kann.«
»Genres müssen nicht so starr sein. Wenn Leute das als Podcast wahrnehmen, bin ich die Letzte, die sagt: Nee, das ist ein TikTok-Format! Die Leute bringen Talk- und Interview-Formate halt direkt mit Podcasts in Verbindung. Deswegen entsteht der Eindruck – aber offiziell war es nicht der Plan, dass wir ein Podcast sind.«
»Als wir den 9:16 Award als bester Video-Podcast gewonnen haben, meinten viele: Ihr seid doch gar kein Podcast! Da dachten wir: Vielleicht ist das ein neues Genre – ein Teasing-Podcast.«
»Wir haben stundenlang auf dem Titel rumgedacht. Bis wir zu der Erkenntnis gekommen sind, dass gerade auf TikTok Usernames einfach komplett egal sind. Niemand weiß, wie irgendein TikTok-Creator heißt. Also nennen wir das Kind beim Namen: Tahsims Interview-Format.«
»Unsere Snippets sind in sich geschlossene Geschichten – das ist ein großer Vorteil. Wenn du aus einem langen Gespräch einzelne Teile cuttest, funktioniert das auf TikTok nicht so gut, weil alles in einem Snippet funktionieren muss, damit die User*innen keine tausend Fragezeichen im Kopf haben.«
»Bei der Vorbereitung der Interviews schauen wir, dass alles in einzelnen Bits funktioniert. Das heißt, Tahsim geht immer mit einer Frage, einer Prämisse, einem Gedankenspiel rein.«
»Wir haben ein Autor*innen-Team, das pro Folge zwei Tage zu jedem Gast recherchiert. Insgesamt gehen für eine Folge so vier Tage für die Vorbereitung drauf.«
»Manche Gäste sind nach einer halben Stunde schon wieder raus, andere sitzen da anderthalb Stunden, weil es einfach gepasst hat. Wir gucken, dass wir immer pro Folge auf 6 bis 8 Einzelvideos kommen. Bei manchen ist es mehr, bei manchen weniger.«
»Das Skript hat Plotpoints, an denen Tahsim sich orientiert, aber vieles ist darauf ausgelegt, dass er improvisiert. Das sind dann meistens die besten Momente.«
»Zu Beginn haben wir das Interview zwischendurch unterbrochen, um Teile nochmal aufzunehmen. Oder wir haben eine kurze Pause gemacht, damit man die Bits besser voneinander trennen kann. Dafür sitzen Anna Mohtadi, die zweite Redakteurin, und ich immer hinter der Kamera und schreiten ein, wenn wir Tahsim was reingeben müssen. Das ist halt der Vorteil – bei Longform würde das nicht funktionieren. Aber das kommt mittlerweile immer seltener vor. Für die Gäste fühlt es sich wahrscheinlich wie ein ganz normales Interview an.«
»Ungefähr 80 Prozent des Interviews benutzen wir für die Snippets.«
»Wir machen keine Co-Creator-Posts. Wir haben auch kein Geld für Marketing auf irgendwas gesetzt. Ich bin der festen Überzeugung, wenn du ein gutes TikTok hast, brauchst du keine Distributions-Strategie.«
»Tahsim hat beim Start den TikTok-Kanal bei Instagram gepostet, aber die Conversion ist super schwierig von Instagram zu TikTok.«
»Am ersten Tag ist unser Kanal so dahin geplätschert – aber das ist bei einem neuen Account normal. Der Algorithmus muss erstmal checken, worum es geht. Innerhalb von zwei Wochen haben wir dann die acht, neun Bits mit Felix Lobrecht veröffentlicht. Ich glaube, das dritte Video ist direkt viral gegangen. Auch die Klatschpresse hat darüber berichtet, weil Felix Lobrecht erzählt hat, dass er jedes Jahr von Let's Dance angefragt wird.«
»Wir haben einen Community Manager, Muhamed Yildirim – der beste der Welt – der macht das komplett alleine und hat genau den Humor von Tahsim. Das war uns wichtig, weil er das Format repräsentiert.«
»Bei TikTok kommt es auf die ersten zwei Sekunden an. Der Inhalt muss einfach stimmen. Du musst direkt die Leute mit irgendwas hooken. Das geht meistens durch bekannte Gesichter oder kontroverse Aussagen – im Idealfall beides.«
»Der TikTok-Algorithmus ist meiner Meinung nach schon sehr berechenbar. Man muss den Content auf eine Sache fokussieren, immer wieder dasselbe machen, eine Nische finden. Und da dann wirklich zu 100 Prozent den Fokus auf Dramaturgie legen und mit visuellen Einblendungen arbeiten, die Neugier der Leute packen.«
»Aber das Bedürfnis nach Longform-Content ist weiterhin da – das sehen wir ja in den Kommentaren. Die Leute wollen auch das ganze Interview am Stück sehen.«
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