Sind Video-Podcasts die neuen Musik-Videos?
Seit Jahren frage ich mich, was wir von Musik über die Discovery von Podcasts lernen können. Außerdem: ein Interview mit Janis Gebhardt von Studio Jot zu 3D-Audio.
Das hier ist BEIFAHRERSITZ, ein Newsletter darüber, wie es wirklich ist, einen eigenen Podcast zu machen. Spoiler: sehr holprig. (Dazu gibt’s Branchen-News und neue Podcast-Releases.) Ihr wollt mitfahren? Dann einfach hier kostenlos einsteigen:
Vor ein paar Jahren hab ich für Podstars einen Artikel geschrieben mit dem Titel »Können Radios das MTV für Podcasts werden?« Ich hatte mich gefragt, was wir von Musik über die Discovery von Podcasts lernen können:
»Brauchen wir ein MTV für Podcasts? […] Obwohl Podcasts immer mehr im Mainstream ankommen, ist und bleibt es extrem schwer, einen Überblick über das Angebot zu bekommen und neue Podcasts zu finden. Das ewige Problem hat einen Namen: Podcast-Discovery. Neue Musik hingegen entdeckt man im Radio, auf Partys, Social Media, in Playlists – oder eben früher bei MTV. Musik ist überall, nicht nur in unseren Kopfhörern. Anders sieht das bei Podcasts aus.«
Der Vergleich hinkt natürlich etwas. Musik und Podcasts sind sehr unterschiedlich – allein schon in der Länge. Aber bei der Musik gab es eine Revolution, die in den 60ern von Bands wie den Beatles angestoßen und in den 80ern von MTV standardisiert wurde: Musik-Videos.
Sie wurden durch Musiksender zum zentralen Bestandteil der Vermarktung. Kein Video, keine Sendezeit. Das hat die Labels unter Druck gesetzt.
Und das erinnert mich irgendwie an eine aktuelle Entwicklung … 🤔
(Fun Fact: Das allererste Video, das gespielt wurde, als MTV am 1. August 1981 auf Sendung ging, war »Video Killed the Radio Star« von den Buggles.)
Ich hab in den 80ern noch nicht gelebt, aber wahrscheinlich galt damals wie heute: Wer Geld hat, kann sich eine Videoproduktion leisten. Wer ein Label hat, hat Glück. Der Rest muss Freunde anbetteln, den Camcorder zu halten, während man in der Garage der Eltern so tut, als sei man ein Rockstar. Ob man damit im TV landet? Fraglich. Macht es trotzdem einen Arsch voll Arbeit? Mit Sicherheit. (Aber vielleicht macht es auch Spaß.)
Das Ding ist: Die meisten Musiker*innen hauen nicht jede Woche einen neuen Song raus. (Wie gesagt, der Vergleich hinkt.) Podcaster*innen ja schon irgendwie … Aber Musiker*innen veröffentlichen auch nicht zu jedem ihrer Songs ein Video … Ist das vielleicht ein kleiner Teil der Lösung? Nur zu den Banger-Folgen ein Video machen? (Ja, dann ist die Frage: Welche Folge wird ein Banger? Aber ich mein, Musiker*innen wissen ja auch vorher nicht, welche Single wirklich ein Hit wird.)
Wahrscheinlich ist es einfach so:
Es wird immer Leute geben, die Musikvideos / Video-Podcasts vor dem Fernseher zelebrieren. Und solche, die nicht mal wissen, wie ihre Lieblingskünstler*innen aussehen.
Es wird immer Leute geben, die Millionen für eine Produktion ausgeben. Und solche, die mit einem Camcorder in der Garage der Eltern einen viralen Hit landen.
Es wird immer Zeiten geben, in denen ohne Video gar nichts geht. Und solche, in denen Videos auf YouTube dazu genutzt werden, um sie mit einem Converter kostenlos runterzuladen.
Musikvideos und Songs koexistieren seit Jahrzehnten. Das werden Video- und Audio-Podcasts auch. Und wir wissen ja: Video hat den Radiostar nicht gekillt.
Das, was Musiklabels im Podcasting wahrscheinlich am nächsten kommt, sind Plattformen wie Spotify oder Podimo.
Genau vor einer Woche fand das neue Spotify-Event Now Playing statt. Es war ein bisschen wie die All Ears, nur mit weniger Panels. Und man brauchte eine Einladung. Das Gesprächsthema Nr. 1 auch hier: Video-Podcasts.
Ein paar vorgestellte Fakten, die ich ganz spannend fand:
Deutschland ist der wichtigste Podcast-Markt in Europa für Spotify.
Deutschland ist der zweitgrößte Podcast-Markt weltweit für Spotify.
Die Zahl der Podcast-Hörer*innen auf Spotify in Deutschland ist im Vorjahresvergleich um mehr als 10 % gestiegen (Feb. 25 vs. Feb. 24).
Die gestreamten Stunden von Podcasts auf Spotify in Deutschland sind um fast 15 % gestiegen (Feb. 25 vs. Feb. 24).
Deutschland ist der führende europäische Videopodcast-Markt für Spotify.
Saruul Krause-Jentsch, Head of Podcast Central Europe bei Spotify, hat erzählt, sie muss den internationalen Kolleg*innen immer erklären, warum »Die ???« zu den meistgestreamten Inhalten gehören.
Das Hörspiel hat in Deutschland einen Stellenwert, den es so auf der Welt kein zweites Mal gibt. Und da sind wir schon beim nächsten Thema. 🤓
Ich belebe ein Format wieder, das ich mir damals, als ich noch bei Podstars gearbeitet hab, für den wöchentlichen Newsletter ausgedacht hatte: »Vom Podcast gelernt«.
Für das Format hatte ich mich von der Zeitschrift NEON inspirieren lassen (treue Leser*innen wissen natürlich, dass ich früher in der Online-Redaktion von NEON gearbeitet habe). Auf der letzten Seite war immer ein Interview mit einem Promi. Aber nicht mit Frage, Antwort, Frage, Antwort. Sondern die besten Sätze aus dem Interview standen für sich. Die Rubrik hieß »Vom Leben gelernt«. Nur interviewe ich keine Promis, sondern Leute hinter den Podcast-Kulissen.
Für die erste Ausgabe habe ich Janis Gebhardt befragt. Er hat mit seinem Studio Jot ein Hörspiel in 3D-Audio produziert.
Janis Gebhardt, gelernt vom Podcast »HOHENSYBURG«, ein 3D-Audio-Hörspiel
»Das Konzept ist schon vor anderthalb Jahren entstanden. Einer unserer Mitarbeiter hat seine Abschlussarbeit über 3D-Audio in Computerspielen geschrieben. Da dachten wir: Wie können wir diese Technologie in einen Podcast übertragen?«
»True Crime ist nach wie vor beliebt und eignet sich perfekt dafür, dass Stimmen und Geräusche von allen Seiten kommen – allerdings nicht, wenn da einfach zwei Menschen sitzen, die sich eine Geschichte erzählen.«
»Unsere Idee: Eine True Crime-mäßige Geschichte mit einer zusätzlichen Ebene darüber, wo alles tatsächlich passiert. Am Anfang haben wir zwei Leute im Auto, die miteinander sprechen. Person 1 steigt aus, erlebt die Geschichte hautnah und kommt danach zurück ins Auto, um Person 2 zu erzählen, was passiert ist. Person 2 kennt die Geschichte schon, denn im Internet hat sie von einer Urban Legend gelesen, die an diesem Ort stattgefunden haben soll, und liest Fakten vor, wodurch die ganze Geschichte einen Sinn ergibt.«
»So ist ein Hörspiel entstanden – mit einer echten Urban Legend über ein Geisterhaus in Dortmund, die wir in Foren und Reddit-Threads recherchiert haben.«
»Bei 3D-Audio ist es wichtig, einen Stellvertreter zu haben, der vorgibt, von wo die Hörer*innen zuhören. Und der sollte sich während der Szenen nicht bewegen. Das ist sonst total verwirrend zum Zuhören.«
»Bevor man überlegt, was den Charakteren der Geschichte passiert, muss man die Räume bauen, in denen sie sich bewegen, in unserem Fall ein Geisterhaus, das 2009 abgerissen wurde. Wir konnten also nicht mehr hinfahren, sondern mussten mit Fotos arbeiten. Jeder Raum muss eingerichtet werden: Was befindet sich wo? Was ist hörbar?«
»Wir verstehen den ganzen Raum wie eine Bühne, auf der Charaktere aufmarschieren, die sich selbst spielen. Sie werden ja nicht von einer anderen Person beschrieben.«
»In einem Hörspiel ist es normalerweise so: Wenn man jetzt sagt, Justus Jonas sucht den Schlüssel, dann klimpert der Schlüssel. Bei uns ist die Sprache in der Mitte, also die erzählte Geschichte, und rechts und links davon ist das ganze Sounddesign.«
»Man muss sich überlegen, wer läuft in welchem Tempo, welchen Weg und wie schafft man es, dass sie nicht über Kreuz laufen? Und in welche Richtung sprechen die Charaktere?«
»Wenn die Figuren im Auto sitzen, haben wir wirklich im Auto aufgenommen, einem Saab 900 von unserer Producerin. In der Story ist es deswegen ein Saab 900. Sogar das Pferd, das man hört, haben wir selbst aufgenommen.«
»Wir haben nicht nur Pilotfolgen aufgenommen – wir haben eigentlich das ganze Hörspiel dreimal gebaut und haben es immer nochmal revidiert.«
»Unser größter Fail war, dass wir erst spät gecheckt haben, dass wenn jemand spricht, ich nicht mit dem Ohr zur Person höre, sondern sie anschaue. Dadurch dreht sich der ganze Raum.«
»Am Anfang waren wir zu viert oder zu fünft. Bei den Aufnahmen im Auto waren es drei. Dann hatten wir eine Person in der Komposition, einen in der Binauralisierung am Ende, und mich als Autoren.«
»3D-Audio versucht, etwas zu simulieren, was das Ohr längst kann. Durch verschiedene Lautstärken wird suggeriert, dass Objekte weiter vorne, weiter hinten, oben, unten oder hinter uns sind. Hinter uns sind Geräusche viel gedämpfter – du weißt automatisch, das kommt von hinten links. Dabei ist es einfach nur eine unterschiedliche Lautstärke, wie lange der Schall ins Ohr braucht. Das alles wird am Computer simuliert.«
»In der Software für 3D-Audio gibt es in der Mitte einen Kopf. Darum herum positioniert man Objekte und Sprechquellen mit Sprechrichtung und Sprechentfernung, die sich mit der Bewegung verändern. Das sind alles Automatisierungen.«
»Fernsehfilme haben Weihnachten. Der Deutschrock hat die Fußball-WM. Ich frage mich, welches Event kriegt der Podcast? Und wenn alle eh True Crime hören, wäre ja Halloween das Event für Podcasts, an dem alle eine Spezialfolge mit 3D-Audio machen. Mein Traum wäre, dass alle berühmten True Crime-Podcasts kommen und sagen: Janis, bau mir ein Geisterhaus!«
»Man schreibt ja immer direkt mit Stimmen im Kopf. Bei der Hauptfigur war es für mich Agent Fox Mulder aus Akte X, gespielt von David Duchovny. Also haben wir seinen Synchronsprecher Benjamin Völz besetzt. Auch bei dem grantigen Butler war mir völlig klar, dass das Willem Dafoe ist. Wir haben es geschafft, Willem Dafoe zu besetzen, ohne dass er überhaupt davon weiß. Das geht natürlich nur in einem Land, in dem es so eine tolle Synchron-Tradition gibt.«
Wiedergaben der letzten Folge: 345 ⇧ +40
Gesamtwiedergaben: 6.863 (alter Hoster) + 49.689 (Acast) ⇧ +565
Größe des Publikums in den letzten 7 Tagen: 414 ⇧ +24
Follower*innen auf Spotify: 938 ⇧ +13
Follower*innen auf Apple Podcasts: 204 ⇧ +3
Follower*innen auf Instagram: 311 ⇧ +
Follower*innen auf TikTok: 48 ⇨ 0
🎥 Was passiert, sobald du eine Folge deines Podcasts mit Video bei Spotify hochlädst, erklärt Sounds Profitable. Für all deine Folgen wird der RSS-Feed durch einen Cache-Feed ersetzt, also z.B. keine dynamischen Ads mehr für alle Folgen.
🎥 YouTube soll dynamische Ads für Video-Podcasts testen.
🎥 The Podcast Host hat fünf Case Studies von Podcasts zusammengestellt, die Video ausprobiert haben und damit erfolgreich sind.
🎥 Rephonic hat Podcast-Sponsoring untersucht und festgestellt: Podcasts mit einem YouTube-Kanal ziehen große Sponsoren wie Shopify oder BetterHelp eher an.
🎥 Coleman Insights: »Why The Rise Of Video Podcasting Is Not Killing Audio«
🎥 Zur gleichen Studie: »Podcasts: It’s Not One Thing Or The Other«
📣 Podimo sucht eine*n Praktikant*in für Social Media in Berlin.
In »blitz.« spricht Eike Lennart Sell mit einem Gast über Kreativität. Es geht um kreative Arbeit, Prozesse und Inspirationen.
Für »SENDEZEIT mit Nura« lädt die Rapperin jede Folge einen Reality-Fan ihres Vertrauens ein, um über – natürlich – Reality-TV zu sprechen.
Bei diesen absurden und verrückten True-Crime-Fällen denkt man sich: »Can't be True Crime«.
Südlich von Wien liegt ein »Brachland«. Es sieht aus wie eine Wiese. Es ist aber auch teures Bauland. Und es war einmal ein Frauen-KZ.
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Die Trailer der neusten Podcasts als Playlist zum Durchstöbern und Entdecken:
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