»Hätte ich YouTuber werden wollen, wäre ich nicht Podcaster geworden«
Ja, tut mir leid, die Diskussion ums Thema Video-Podcasts wurde aktuell wieder angeheizt. Wir müssen (nochmal) nochmal reden.
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Die Diskussion um Video-Podcasts wurde gerade wieder durch ein Whitepaper der deutschen Podcastbranche angeheizt: »Audio-Podcasts: Gekommen, um zu bleiben!« Herausgegeben von Acast, Audio Alliance, Axel Springer Audio, Studio Bummens, iq digital, Mit Vergnügen und Seven.One Audio (und sogar als Pressemitteilung in Podnews).
Man kann das Whitepaper durchaus als Kampfansage gegen Video-Podcasts verstehen. Denn es geht um die Vorteile von Audio-Podcasts gegenüber denen mit Bildebene. Trotzdem betonen alle immer wieder: Es geht nicht um ein Audio vs. Video.
Die Zusammenfassung:
Die Audio-Podcast-Nutzung wächst weiter – wie bei keinem anderen Medium in Deutschland
Die Entscheidung der Hörer*innen, einen Podcast zu hören, ist eine bewusste Entscheidung für das Medium Audio
Der RSS-Feed der Audio-Podcasts ermöglicht eine freie, plattform-unabhängige Distribution und Vermarktung
Audio-Podcast werden als einzigartig authentisch, ehrlich und natürlich wahrgenommen
Audio-Podcasts haben sich als Longform-Medium etabliert und erzielen bis zu 150 % stabilere Durchhör-Raten (LTR)
Die Reichweiten vieler Audio-Podcasts wachsen organisch weiter stark – genauso wie der Podcast-Werbemarkt
Audio-Podcasts sind unschlagbar effizient in der Produktion
Audio-Podcasts ermöglichen eine bis zu 12-fach höhere Monetarisierung über Host Read Ads als Standard Video-Ads
Das Whitepaper wurde viel auf LinkedIn geteilt, die meisten Reaktionen (in meiner Wahrnehmung, hab keine Statistik geführt) waren zustimmend. Aber es gab auch kritische Stimmen, zum Beispiel von den Gründer*innen von arc.studio, Lara Johnen und Hendrik Nagel. Zuerst in den Kommentaren bei Konstantin Seidenstücker von Studio Bummens und dann auch als LinkedIn-Post.
»Natürlich hat Audio jede Menge USPs, aber wenn wir neue Formate und Zielgruppen erreichen wollen, sollten wir uns offen für Weiterentwicklungen zeigen, statt uns zu verschanzen«, schreibt Hendrik Nagel. »Ein kurzer Blick in die Zahlen unserer Formate widerlegt direkt einige Aussagen des Berichts über Entwicklung oder Monetarisierung im Bezug auf Video.« Lara Johnen schreibt in einem Kommentar: »Einige Aussagen des Papers intepretiere ich persönlich allerdings als potentiell irreführend. Die Aussage, dass Host Read Ads nur als baked-in Ad in Videos umsetzbar sind: Wir setzen in allen unseren Video-Formaten erfolgreich dynamische Host Read Ads um – eine Frage des Hostings.« Video biete viele neue Möglichkeiten der Monetarisierung. Wie das aussehen kann, zeigt sie in einem weiteren LinkedIn-Post. Mit Video können die Hosts zum Beispiel darüber sprechen, was sie gerade anhaben und wo man es nachkaufen kann.
Auch Davide Bortot, Co-Founder von ACB Stories, meldet sich auf LinkedIn zu Wort. Für ihn sind Audio-Podcasts keine Antithese zu Video. »Bei Audio vs. Video werden zwei Modelle gegenübergestellt, die viel weniger miteinander zu tun haben, als es der gemeinsam genutzten Begriff ›Podcast‹ nahelegt.« Das Internet sei voll von ganz unterschiedlichen Content-Typen, die alle um dieselbe Aufmerksamkeit kämpfen. Es sei aber nicht alles ein Podcast. »Der Begriff ›Video-Podcast‹ verstärkt diese irreführende Vermengung noch – zumal Spotify ja nicht nur Podcaster*innen konvertieren, sondern auch andere Videoinhalte auf die Plattform bringen will.«
Tobi Bauckhage, ebenfalls von Studio Bummens, hat auf LinkedIn seine Sicht auf den »Pivot to Video« (also die Verlagerung von Audio zu Video) von Spotify beschrieben. Es erinnert ihn an den »Shift to Video« von Facebook 2015, als Mark Zuckerberg versucht hat, sein eigenes YouTube zu schaffen. Hat damals nicht funktioniert – die Leidtragenden waren klassische Online-Medien und Creators.
Er schreibt: »Auch Spotify möchte jetzt YouTube werden. Spotify möchte seine Marktmacht nutzen (Market Cap rund 100 Milliarden USD), um scharenweise Video-Creators von Youtube auf die Plattform zu locken, die ihren Video-Content direkt auf Spotify hochladen sollen. Dieses Video-Inventar – unter der Kontrolle von Spotify – soll dann zukünftig von Spotify vermarktet werden. It’s history repeating.«
Vor ein paar Jahren seien Podcaster*innen eine Symbiose mit Spotify eingegangen: Reichweite und Aufmerksamkeit – dafür ist es okay, dass Spotify sie nicht bezahlt und Podcaster*innen sich selbst um Vermarktung kümmern müssen. »Ich hoffe sehr, dass Spotify mit diesem Strategiewechsel nicht vorhat, die Symbiose mit dem weltweiten Podcast-Ökosystem einseitig zu beenden«, schreibt Bauckhage.
Davide Bortot von ACB Stories schreibt in seinem Artikel dazu: »Ich denke, um ehrlich zu sein, diese Symbiose ist bereits aufgekündigt. Spotify will mehr Video-Inhalte und fördert schon jetzt die Sichtbarkeit dieser Inhalte auf Kosten von Audio-Content (auch Musik).«
Side Fact am Rande: Alex Cooper, die erfolgreichste Podcasterin der Welt, hat ihre Video-Folgen »Call Her Daddy« von Spotify runtergenommen und auf YouTube hochgeladen.
Apropos Video Podcasting: Eric Silver von Multitute hat einen tollen Blogpost darüber geschrieben, wie es wirklich ist, einen Video-Podcast zu machen. (Hab ich übrigens auch schon gemacht.)
Als Experiment haben er und seine Co-Host eine Aufnahme ihres Podcasts mitgefilmt. Um zu zeigen, wie viel allein bei einem 5-minütigen Intro geschnitten werden muss – und wie es aussehen würde, wenn man es nicht macht. Denn das ist einer der großen Nachteile der Bildebene: Man sieht jeden Schnitt.
Was ihm sonst noch so dabei aufgefallen ist:
Er verhält sich anders, wenn die Kamera an ist.
Es zählt plötzlich, was man angezogen hat.
Wenn man z.B. das Intro verkackt, muss man es komplett neu aufnehmen, damit man den Schnitt nicht sieht.
Hätte er YouTuber werden wollen, wäre er nicht Podcaster geworden. (Das fühle ich sehr!) »Why do we want to dive into this wholly-different-and-filled-with-its-own-distinct-problems pool when we have our own not-perfect pool here?« Ja, denn YouTube ist zwar eine super Suchmaschine, aber auch voll von Ablenkungen mit Clickbait-Titeln und dramatischen Thumbnails.
Und was denke ich nun über Video-Podcasts? Ganz ehrlich, keine Ahnung. Ich kann alle Seiten irgendwie verstehen. Und ich hoffe wirklich sehr, dass alles friedlich nebeneinander koexistieren kann. 🤞
Meine ausführlichen Gedanken zum Thema findet ihr auch hier im Newsletter:
Ich hab Angst. 😥 (hab ich geschrieben, nachdem »Spotify for Podcasters« zu »Spotify for Creators« umbenannt wurde)
Wir müssen nochmal über Video-Podcasts sprechen ... (hab ich geschrieben, nachdem ich unzählige Artikel über das Thema gelesen hab)
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Wiedergaben der letzten Folge: es gab keine neue Folge
Gesamtwiedergaben: 6.863 (alter Hoster) + 44.359 (Acast) ⇧ +296
Größe des Publikums in den letzten 7 Tagen: 53
Follower*innen auf Spotify: 923 ⇩ -2
Follower*innen auf Apple Podcasts: 197 ⇩ -2
Werbeeinnahmen durch Ads bisher im Februar: 0,00 €
Follower*innen auf Instagram: 294 ⇧ +1
Follower*innen auf TikTok: 34 ⇨ 0
*Disclaimer: Mein Podcast ist gerade in einer Winterpause.
🛒 Wer dominiert das deutsche Podcast-Werbespiel 2024? Allcasts hat analysiert, welche Marken die meisten Ads gebucht haben und in welchen Podcasts.
📵 Welche Auswirkungen hätte es auf Podcasts, wenn TikTok nicht mehr da wäre? (Ist ja durchaus realistisch, wie wir gesehen haben.) Das fragt sich Edison Research.
🏅 Spotify vergibt jetzt Auszeichnungen für Meilensteine (so wie YouTube mit den Play Buttons): Gold (500 Millionen Streams bei Spotify), Silver (250 Millionen) und Bronze (100 Millionen). Also nichts für mich, haha.
💡 Das EarBuds Podcast Collective hat Fun Facts gesammelt, die sie im letzten Jahr durch Podcasts gelernt haben. Zum Beispiel: Es gibt Weißkopfseeadler-Familien, die aus einer Mutter und zwei Vätern bestehen. Süß!
🏆 Bis zum 28. Februar könnt ihr euren Lieblingspodcast aus Österreich beim Ö3 Podcast Award 2025 nominieren.
🚗 Acast hat herausgefunden, wie wichtig Podcasts für Pendler*innen sind. Spannend für die Formatentwicklung und Werbekunden. Just sayin’.
🥱 Neue Studie: Langweilige (Audio) Ads kosten mindestens doppelt so viel Media Spend, damit sie die gleiche Wirkung wie spannende Ads erreichen.
📣 Radio Bremen sucht eine*n Podcast-Redakteur*in in freier Mitarbeit.
📣 Seven.One Audio vergibt ein Praktikum für Social Media Management Podcast.
Jasmine König nimmt uns »In Etappen« mit auf die schönsten Wandertouren in Europa und Großbritannien – denn sie hat das Mikro auf jeder ihrer Touren dabei.
Die Content Creators Finn, Shane und Toni sind nicht mehr nur auf YouTube »Candy Holding«, sondern jetzt auch ein gleichnamiges Podcast-Trio.
Und auch die Content Creatorinnen Nessi und Tanja starten einen Podcast: »Girls Girls« soll sich anfühlen wie der Support zwischen Frauen auf dem Klo.
Die Doku »Durchgefallen« erzählt, wie Schule uns als Gesellschaft spaltet: Warum lässt Schule gerade die Kinder im Stich, die sie am meisten brauchen?
Die Trailer der neusten Podcasts als Playlist zum Durchstöbern und Entdecken:
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